Ein Kommentar von Mohammad Kabany, CEO, B-Horizon GmbH
Die Berichterstattung über den fundamentalen Wandel, dem die Automobilindustrie ausgesetzt ist, ist in den Medien nicht zu übersehen. Der dem vorausgehende Veränderungsprozess hat jedoch bereits vor langer Zeit hinter den Kulissen begonnen. Seit mehr als 15 Jahren bestimmen die Megatrends Elektromobilität, automatisiertes Fahren, sowie Digitalisierung und Vernetzung, bereits weitgehend die Prioritäten in den Entwicklungszentren der Hersteller und Zulieferer. Auf dem Weg zur Akzeptanz beim Kunden bedurfte es dabei immer wieder der Arbeit durchsetzungsstarker Pioniere wie Toyota oder Tesla, um bahnbrechende Innovationen wie Hybrid- und Elektroantrieb oder „Autopilot“ am Markt zu etablieren.
Seither ist der globale Automobilmarkt um rund 40% gewachsen, was nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass der Veränderungsdruck, gerade in den letzten wenigen Jahren, nochmals substantiell zugenommen hat. Gleichzeitig hat der Technologiewandel eine Dynamik entwickelt, die viele Unternehmer, aber auch Politik und Arbeitnehmer, vor enorme Herausforderungen stellt.
Fest steht: die Transformation der Branche ist mit hoher Geschwindigkeit im Gange. Die intrinsische Motivation der Anbieter, getrieben von jenen Pionieren, trifft dabei auf anspruchsvolle externe Forderungen aus Politik, Gesellschaft und Ökologie. Die konjunkturelle Abkühlung, verschärft durch die Coronakrise, und die offensichtlichen strukturellen Herausforderungen, erhöhen die Risiken und verstärken die Notwendigkeit, sich dem Handlungsbedarf zu stellen.
Seit Jahren erlebe ich, dass Unternehmer und Vorstände vielfach verunsichert und unentschlossen sind. Sie sehen, dass sich die Technologien und ihr Geschäftsmodell verändern, wissen aber noch nicht, wie sie damit umgehen sollen. Gerade in Großunternehmen steht die Fixation auf das Jahresergebnis oder gar Quartalszahlen häufig im Konflikt mit der konsequenten Verfolgung langfristiger strategischer Ziele. Milliarden von Euro müssten eigentlich in neue Technologien investiert werden, mit denen jedoch kurzfristig noch kein Geld verdient wird. Dazu zählen insbesondere die kostenintensiven Entwicklungen im Bereich des autonomen Fahrens und der Fahrassistenzsysteme, aber auch Investitionen in Elektromobilität und andere alternative Antriebskonzepte. Auch die Abwägung zwischen Eigenleistung und Outsourcing ist immer wieder neu auf den Prüfstand zu stellen, und zwar für eine Vielzahl von Komponenten und Dienstleistungen.
Gewaltige Umschichtungen auch am Arbeitsmarkt sind zu erwarten und werden durch die Pandemie beschleunigt: Zehntausende konventioneller Arbeitsplätze sind in Gefahr, auch weil Elektroautos wesentlich einfacher aufgebaut sind als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Andererseits sind Mitarbeiter mit neuen Fähigkeiten gefragt, um Digitalisierung und neue Technologien voranzutreiben. Dies führt zu einer Imbalance am Arbeitsmarkt: zwar werden Stellen abgebaut und Personal freigesetzt, trotzdem können innovative Unternehmen, wie wir es auch bei B-Horizon gegenwärtig erleben, ihren Bedarf an qualifizierten Fachkräften kaum decken.
Treibende technologische Faktoren des Wandels sind – neben neuen Antriebskonzepten – vor allem Konnektivität und autonomes Fahren. Digitale Funktionen im Fahrzeug sind zum Hygienefaktor geworden. Der Kunde erwartet weiterhin ein perfektes Automobil, aber ein gutes Auto ohne digitale Angebote und umfangreiche Vernetzung wird am Markt nicht mehr akzeptiert werden. Die Furcht der Branche, dass sich das Auto in der Wahrnehmung des Konsumenten wandelt, von einem Meisterwerk der Maschinenbautechnik hin zu einer Software-gesteuerten Hardware-Box auf Rädern, ist daher nicht verwunderlich. Die Realität der Zukunft wird mit hoher Wahrscheinlichkeit irgendwo dazwischen liegen.
Die OEM’s haben den drängenden Veränderungsbedarf erkannt und reagieren. Kooperationen zwischen Autobauern und Tech-Unternehmen wie Microsoft oder Intel, z.B. zum Aufbau von Cloud Diensten und Konnektivitäts-Strukturen, gewinnen rapide an Bedeutung, ebenso wie Allianzen zwischen eigentlich konkurrierenden OEM’s, wie beispielsweise die umfangreiche Zusammenarbeit zwischen VW und Ford in diversen klar definierten Technologiefeldern. In diese Art von Kooperationen sollten auch Zulieferer künftig noch stärker eingebunden werden, in einem konstruktiv-partnerschaftlichen Verhältnis. Lieferanten – nicht nur Tier 1 – sind Know-How-Träger mit hohem Innovationspotential. Auch in der konsequenten Nutzung dieser Erkenntnis liegt eine Chance für die Hersteller.
Für Tier 1 Zulieferer und deren Lieferanten und Dienstleister führt dies wiederum zur Notwendigkeit, auf die neuen Anforderungen, die sich aus den Veränderungen bei den OEM’s ergeben, schnell und effektiv reagieren zu müssen, um sich bei ihren Kunden als wertvolle Problemlöser zu positionieren. Das Verharren in der Defensive und allein das Bestreben, überleben zu wollen, wird dabei jedoch nicht ausreichen. Die proaktive Teilhabe an der Gestaltung des Wandels muss das Ziel und die Ambition sein. Eine besondere Rolle im Unternehmen der Zukunft kommt der vertikalen Wertschöpfung im Entwicklungsprozess zu. Die Auslagerung innovativer Entwicklungsumfänge zu Lieferanten und Dienstleistern wird unverzichtbar sein, aber die Kompetenz, hierfür klare Anforderungen zu definieren, sollte im Haus des OEM gestärkt werden.
An diesem Punkt setzen die Dienstleistungen von B-Horizon an: basierend auf unserer Vision, der führende Partner im Bereich kundenorientierter Mikroelektronik-Entwicklung zu sein, den jeweiligen Kunden bei der Entwicklung innovativer Elektronik- und Halbleiter-Produkte individuell und effektiv zu unterstützen. Wesentlich ist dabei die Verknüpfung der Details von Hard- und Software mit den Zielen und Anforderungen des Kunden, um somit wiederum dessen Fokussierung auf seine Kernkompetenzen zu stärken. Wir haben uns von Beginn an für einen gesamthaften Ansatz entschieden: von der Beratung, über Konzeptionierung, Planung, Steuerung und Qualitätskontrolle, bis hin zur gesamten Produktentwicklung. Entscheidend für den Umfang der Dienstleistung sind Zielsetzung und Bedarf des jeweiligen Kunden.
Enorme Entwicklungsschübe wurden in den letzten Jahren insbesondere beim automatisierten Fahren vollzogen. Selbst Level 5, also die völlig autonome Mobilität ohne Präsenz eines Fahrers, ist keine Vision mehr. Die Technologie ist weitestgehend vorhanden. Durch die kontinuierliche und intensive Arbeit mit unseren Kunden, wie etwa Ibeo Automotive Systems, die wir in der Entwicklung von Halbleiterkomponenten für intelligente Fahrerassistenzsysteme unterstützen, hat sich B-Horizon besonders auf diesem Gebiet zum Innovationspartner entwickelt.
Nicht immer bietet der bestehende organisatorische Rahmen die besten Voraussetzungen für Kreativität, Innovation und Effektivität. Strukturen der Gegenwart müssen verändert werden, denn neue Organisationsformen werden benötigt, um hohe Flexibilität und Agilität zu ermöglichen und zu fördern. So hat Ibeo bereits vor einem Jahr eine hierarchiefreie Selbstorganisation eingeführt. Die Volkswagen Group, um ein anderes Beispiel zu nennen, hat den Ausbau ihrer Software-Entwicklung in einem eigenen Unternehmen mit Tausenden Mitarbeitern an mehreren internationalen Standorten angekündigt. Außerhalb der Strukturen des klassischen Automobilbaus, mit eigener Organisationsform und Kultur. Die Organisation folgt in diesem Fall der ehrgeizigen Zielsetzung, VW in eine Tech Company zu transferieren.
Vieles spricht dafür, dass auch langfristig die individuelle Mobilität ein globaler Wachstumsmarkt bleibt. Das Potential ist vorhanden. Öffentlicher Nahverkehr, sowie auch Pooling und Sharing Konzepte könnten, zumindest temporär, durch die Coronakrise eine Akzeptanzkrise erleiden.
Im Hinblick auf den bevorstehenden gewaltigen Wandel wird es für alle Beteiligten Zeit, sich an die Umsetzung zu machen. Die zukünftigen Prioritäten und Prozesse in Entwicklung, Produktion und Vermarktung erfordern andere, neuartige Lieferanten- und Dienstleistungs-Strukturen. Ebenso bedarf es Experten einer neuen Generation, die die geänderten Anforderungen verstehen, Chancen nutzen, und die Automobilindustrie der Zukunft gestalten.
Über den Autor: Mohammad Kabany, 40, studierte Elektrotechnik und Elektronik an der Aleppo University. Es folgten Master-Studien in Computational Sciences in Engineering (M.Sc.) und Business Administration (MBA) in Braunschweig und Regensburg. Über mehrere Jahre war Kabany in leitenden Funktionen in der Automobilzulieferindustrie tätig, u.a. bei Continental und ZF Friedrichshafen. In 2017 gründete er die B-Horizon GmbH als innovativen Dienstleister für Mikroelektronik-Entwicklung. Er lebt mit seiner Familie in Regensburg.